Im April 2023 ist von Rainer Tetzlaff das Buch „Der afrikanische Blick. Unerwartete Perspektiven der Integration“ im Verlag brandes & apsel erschienen.
Es ist in erster Linie ein Geschichtenbuch über den Dreiklang der Migration: Fluchtursachen, Fluchterlebnisse und Integrationsschwierigkeiten von Asylbewerbern und Geflüchteten (einschließlich von Wirtschafts- und Verzweiflungsmigranten) in Deutschland, – überwiegend erzählt von Afrikanerinnen und Afrikanern. Dabei wurden autobiographische Berichte, Erzählungen und Interviews der Betroffenen ins Licht gerückt. Das Buch beginnt mit der Präsentation beachtlicher Integrationserfolge (Florence Brokowski-Shekete, Yared Dibaba, Waris Dirie, Ijoma Mangold, Awet Tesfaiesus, Aminata Touré u.v.m. – später kommen die erfolgreichen afrikanischen Fußballer hinzu), gefolgt von den Leidensgeschichten von Opfern rassistischer Demütigung in Deutschland in Geschichte und Gegenwart (Hans Massaquoi, Theodor Wonja, David-Manyonga Aka, alias Roger Rekless, Tupoka Ogette, May Ayim, Tahir Della usw.). Den Schwerpunkt der Geschichten bilden die autobiographischen Heimaterzählungen von Menschen aus Kamerun, Nigeria, Niger, Gabun, Senegal, Eritrea, Sudan, den Kongos sowie aus den Maghreb-Ländern. Sie bringen dem Leser und der Leserin die persönlichen Ursachen und sozialen Umstände nahe, die zu Flucht und Migration nötigten.
Mit der Metapher des ‚kulturellen Gepäcks‘ (Abdulrazak Gurnah) der Flüchtlinge und Asylbewerber wird auf das hingewiesen, was Geflüchtete als ihr daheim wertvollstes Gut mitnehmen. Es kann nach der Ankunft im Zuwanderungsland bei der Integrationsarbeit helfen, es kann aber auch im Gegenteil spezielle Probleme bei der kulturellen Aneignung der Normen und Gepflogenheiten der liberalen Industriegesellschaft machen (ungenügende Schul- und Berufsausbildungsabschlüsse; Mangel an sexueller Aufklärung; Gewalterfahrungen, speziell während der Flucht etc.). Geflüchtete Frauen (speziell aus Nigeria, Senegal, Somalia und Nordafrika) erzählen von Unterdrückung, sexueller Gewalt, Ausbeutung und von Befreiung. Es folgen Erzählungen und Analysen über die „Überlebenskunst“ in Deutschland angekommener Afrikaner*innen, die oftmals gerade das nicht erhalten, weshalb sie kamen: die Erlaubnis zu arbeiten und einen Teil ihres Lohns an ihre notleidenden Familien zu schicken. Das ungesicherte Bleiberecht der Zugewanderten und administrative Unbeweglichkeit (u. a. Verbot des ‚Spurwechsels‘) erschweren das Gelingen von Einwanderung.
Flankiert werden die Geschichten und Erlebnisberichte von sozialwissenschaftlichen Exkursen über Rassismus, Identitätskonstruktionen, die ‚Flüchtlingskrise‘ von 2015 und deren Folgen. Der Frage, ob der muslimische Glaube von Flüchtlingen an sich ein Hindernis für Integration darstellt, wird ein eigenes Kapitel gewidmet und im Prinzip verneint, wobei allerdings der „Islamismus“, Whahabismus bzw. der „politisierte Islam“ erhebliche Probleme aufwerfen. Sollen Konflikte schrittweise abgebaut werden, bedarf es u. a. mehr wechselseitige Kenntnisse über Vergangenheit und Gegenwart der vielfältigen islamischen Welt und des kulturellen Erbes Europas. Das abschließende Kapitel präsentiert einige Schlussfolgerungen und Denkanstöße aus afrikanischen Erfahrungen: „Platz schaffen“ einerseits, Beachtung von gemeinsamen Spielregeln andererseits; endlich legale Einwanderungsmöglichkeiten auf den Weg bringen; Europas Außengrenzen mit Augenmaß und Anstand wirksam kontrollieren (die Quadratur des Kreises!) usw. Gewisse Werte seien nichtverhandelbar (der verfasste Rechtsstaat, gleiche Rechte von Mann und Frau, Religionsfreiheit und andere Menschenrechte…). Eine gelingende Integrationspolitik in Deutschland koste viel Geld, bedürfe eines Mentalitätswandels und verlange große Anstrengungen auf beiden Seiten im Sinne von fordern und fördern, , – argumentiert der Autor.
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